Gute Besserung

Eine der traurigen Erschütterungen eines Lebens, dessen Heute unsicher und dessen Morgen ungewiss ist, ist die Krankheit. Wir alle haben sie durchgemacht oder sind dabei. Wer den Kranken besucht, sagt der Form halber „Gute Besserung“ und wünscht rasche Heilung. Arzt und Pflegekraft wollen den Kranken mit Pflege, Medikamenten, Spritzen gesund machen. Die Versicherung zahlt die Kosten des Kranken. Fehlt sie, erwartet der Kranke Mitleid und Unterstützung von anderen. Viele stöhnen unter heftigen Schmerzen; das Leben stürzt in einen düsteren Schacht der Betrübnis, ein schwarzer Vorhang senkt sich über die Tage. Unterdessen stöhnen die armen Familien.

Hiskia, ein gottesfürchtiger Mann, war um 750 v. Chr. König von Juda. Er war schwer erkrankt. Gott stellte ihn wieder her und verlängerte seine Lebenszeit um fünfzehn Jahre. Daraufhin erhob er diesen innigen Psalm: „Ich sagte: ‚Ich bin im Begriff, zu den Toren des Totenreichs hinabzusteigen.‘ Ich sagte: ‚Mitten am Mittag meiner Tage bin ich des Restes meiner Jahre beraubt; den HERRN werde ich im Land der Lebenden nicht mehr sehen, unter den Bewohnern der Erde kein Menschengesicht mehr schauen.‘ Meine Wohnung wurde abgebrochen und weggenommen, wie ein Hirtenzelt neben mir abgezogen wird. Wie ein Weber habe ich mein Leben aufgewickelt; er schneidet mich vom Webstuhl … Wie eine Schwalbe oder ein Kranich zwitscherte ich, wie eine Taube stöhnte ich; meine Augen ermatten vom Aufblicken. Herr, ich stehe unter Druck; sei du mein Bürge … Heile mich, lass mich leben. Gewiss, tiefes Leid war mir zum Heil. Weil du meine Seele liebtest, hast du mich aus der Grube der Verwesung herausgezogen. Denn all meine Sünden hast du hinter deinen Rücken geworfen … Der Lebende, der Lebende, der wird dich preisen, so wie ich heute … Der HERR ist bereit, mich zu retten. Im Haus des HERRN werden wir unser Leben lang unsere Lieder auf Saiten erklingen lassen“ (Jesaja 38,9–20).

Als der Prophet Hiob in vielfachem Leid krümmte, rief er: „Elendsmonate sind mir zum Erbteil geworden, Nächte des Kummers zum Anteil. Lege ich mich nieder, sage ich: Wann stehe ich auf? … Meine Tage eilen schneller als der Weberschiffchenfaden, schwinden hoffnungslos … Was ist der Mensch, dass du ihn so hoch achtest, dass du auf ihn achtest, dass dein Sinn auf ihn gerichtet ist?“ (Hiob 7,3–4.6.17). Ein Leben lang sind wir der Krankheit ausgesetzt. Und doch vergeuden wir die Tage mit einer gewissen Sorglosigkeit. Auch Hiob war gesund, vermögend, angesehen – als der Sturm der Krankheit heranbrauste, brach seine Welt zusammen.

Wie berührend ist ein anderes Gebet, das man danebenstellen kann: „HERR, ich rufe zu dir um Hilfe; früh begegnet dir mein Gebet. Warum, HERR, verwirfst du meine Seele? Warum verbirgst du dein Angesicht vor mir? Elend bin ich und dem Tode nahe von Jugend auf …“ (Psalm 88,13–15). Solch innige Bitte bricht hervor aus der Hilflosigkeit dessen, der auf dem Krankenlager ins Nachdenken gerät. Dieses abgewogene Gebet beugt sich über die Ängste, Erschütterungen und Schmerzen des Lebens; es berührt die Vergänglichkeit des Daseins. Es erinnert den Menschen daran, dass der Tod ein Atem-aus ist, und ringt gleichsam mit Gott, dem Geber aller Dinge. Bei Schicksal, Fügung, Bestimmung beiseite zu lassen und so zu beten, hat seinen eigenen Nutzen.

Der Prophet David, dessen Leben von allerlei Leid, Kummer, Erschütterung und Sünde gezeichnet war, bezeugt in einem sehr bekannten Psalm: „Der HERR ist mein Hirte, mir wird nichts mangeln. Er erquickt meine Seele“ (23,1.3). Die besonderen Züge Gottes, der als guter Hirte beschrieben wird, treten sogleich hervor: seine Nähe zu dem, den er mit grenzenloser Liebe liebt, sein erbarmendes Interesse, seine Hilfe in jeder Not und Schwierigkeit … Der Stab in der Hand des Hirten ist dem Schaf Stütze und Genüge, er verleiht der Schwachheit Kraft: eine Zusage, ein Zeichen bewährten Vertrauens. Das ist es, was man Christi Gnade nennt.

Der Kranke braucht Stütze, Mitgefühl, Trost – das ist offensichtlich. Die Haltung, die man annehmen sollte, ist die im Glauben ergriffene, niemals verderbende Hilfe von oben. Grundbedürfnis ist die Kraft, die über jede Art von Pflege hinausgeht. Jesus Christus stellte zu seinen irdischen Tagen viele Kranke wieder her und schenkte manchem bedrückten Herzen Frieden. Er ist Quelle der Heilung. Einer der herrlichen Namen Gottes lautet: der HERR, der heilt (2. Mose 15,26). Christus, der Menschengestalt annahm und unter uns lebte, kann jede Not, die den Menschen plagt, beseitigen. Jede Seite des Evangeliums ist eine strahlende Urkunde dieser göttlichen Taten.

Der Schöpfer schuf den Menschen gesund, ausgestattet mit Fülle des Lebens. Doch die Sünde, die dazwischenkam, brachte zusammen mit vielem Unordentlichen auch die Krankheit. Die Umweltverschmutzung, die heute ganze Völker beschäftigt, ist eine der hässlichsten Auswüchse menschlicher Verdorbenheit. Die Umwelt ist krank, der Mensch ist krank, alles Geschaffene ist krank. König Hiskia ruft mitten in seiner schweren Krankheit: „Denn all meine Sünden hast du hinter deinen Rücken geworfen.“ Ist der Adamssohn munter und gesund, denkt er vielleicht wenig an seine Sündhaftigkeit. Wenn alles läuft, denkt man nicht an die Ketten der Unordnungen, die sich im Leben festgesetzt haben. Liegt der Mensch aber auf dem Krankenlager, ringt mit Nöten, tritt die Sündhaftigkeit hervor und grinst.

Jesus Christus vergab auch die Sünden derer, die er heilte. Er befreite sie aus dem Joch der Sünde, nahm den Geplagten jede Last. Der Herr kann den Kranken gesund machen. Noch schöner: Die Seele kann nur er von der Last der Sünde reinigen. Von Christus diese Reinigung zu erbitten, seiner Rettung im Glauben zu vertrauen und dadurch zur Geborgenheit zu gelangen – das ist die Freude des Lebens und der Ewigkeit. Einer seiner Namen ist auch „Fürst des Friedens“ (vgl. Jesaja 9,6). Die Heilung, die aus seiner Liebe fließt, ist vollkommen, sicher.

„Lobe den HERRN, meine Seele,
und alles, was in mir ist, seinen heiligen Namen!
Lobe den HERRN, meine Seele,
und vergiss nicht all seine Wohltaten –
der dir all deine Schuld vergibt,
der all deine Krankheiten heilt,
der dein Leben aus der Grube der Verwesung erlöst,
der dich krönt mit Gnade und Barmherzigkeit,
der deine Begierde mit Gutem sättigt;
deine Jugend erneuert sich wie die des Adlers“ (Psalm 103,1–5).

Welche Kette von Wohltaten gibt es in deinem Leben, die du niemals vergessen wirst – und nicht vergessen sollst? Inmitten vieler Erfahrungen ist es unmöglich, jedes Ereignis und jeden Umstand im Gedächtnis zu behalten. In diesem Lied, entnommen einem der innigsten Psalmen Davids, werden grundlegende Wohltaten aufgezählt, die nicht vergessen werden dürfen. Wer in gesunder Beziehung zu seinem Schöpfer steht, wird Folgendes, für Zeit und Ewigkeit, nicht aus dem Gedächtnis verlieren: Vergebung, Heilung, Rettung, Krone der Gnade und Huld, Sättigung, fortwährende Erneuerung des Lebens … Wer damit beschenkt ist, dem wird es an nichts mangeln.

Wie lässt sich die Kette der Segnungen beschreiben, die Lebenskraft bilden? Ruhm, Ansehen, Ehre, Rang, Schönheit, Religiosität, Bekanntheit in Bildung und Wissenschaft, Überlegenheit im Sport, überreicher Besitz? Viele besitzen dies und noch mehr – und wissen doch nicht, was Lebenskraft ist. Gottes Fürsorge, die das Dasein mit Fülle beschenkt, hat David vor dreitausend Jahren zum Psalm gemacht; er kann die täglich erneuerten Wohltaten gar nicht zu Ende zählen. Jenseits religiöser und sittlicher Verpflichtungen bleibt das Leben sonst ein Kreislauf der Dürre.

Wer von dem Gott, an den er zu glauben bekennt, diese Gaben empfängt und von ihnen zehrt – ob krank oder gesund –, lebt in Wohlsein. Er bringt dem lebendigen Quell der Segnungen fortwährend Dank dar. Was soll der Mensch dem Gott vergelten, der den Sünder, den Kranken, den Armen, den Dürstenden mit unverdienten Gütern beschenkt? Dank und Lob … Der himmlische Vater, Quelle jeder Segnung, belohnt sein Geschöpf nicht mit kleinen guten Werken, religiösen Pflichten oder moralischen Regeln. Er braucht das nicht. Seine Güte fließt aus seiner grenzenlosen Liebe und Gnade; seine ausgestreckte Hand sagt zu allen: „Nimm!“

„Und alles, was in mir ist, lobe seinen heiligen Namen!“ Dieser Gott tilgt unsere Schuld, die auf keinem Wege zu bezahlen ist, durch das Erlöserblut Christi und seine gnadenhafte Vergebung. Von der Krankheit der Seele frei zu werden, ist jedermanns Grundbedürfnis. Auch der Krankheit, einem der zahllosen Symptome des unordentlichen Daseins, streckt Christus seine Hand entgegen. Aus der Faulnisgrube, die die Sünde gegraben hat, zieht er den Schuldigen heraus und setzt ihm eine Krone aufs Haupt. Unsere Schwachheit behebt er mit seiner eigenen Kraft. Und er macht deutlich, wie unbedingt sowohl Kranke als auch Gesunde dieser himmlischen Hilfe bedürfen.

Krankheit ist ein Glied der Erschütterungen der aus dem Gleichgewicht geratenen Ordnung. Das klägliche Umfeld wird im heiligen Wort so beschrieben: „Denn wir wissen, dass die ganze Schöpfung bis jetzt zusammen seufzt und zusammen in Wehen liegt. Nicht allein aber sie, sondern auch wir selbst, die wir die Erstlingsgabe des Geistes haben, seufzen in uns selbst und warten auf die Sohnschaft, die Erlösung unseres Leibes. Denn in der Hoffnung sind wir gerettet worden. Eine Hoffnung aber, die gesehen wird, ist keine Hoffnung; denn wer hofft auf das, was er sieht? Wenn wir aber auf das hoffen, was wir nicht sehen, so warten wir mit standhaftem Ausharren“ (Römer 8,22–25).
Der Kranke hat vielerlei Bedürfnisse. Geduld und Ausharren stehen gewiss an erster Stelle. Viele, die krank waren, bezeugen, dass diese leidvolle Erfahrung ein Erzieher war: „Bevor ich gedemütigt wurde, irrte ich; nun aber halte ich dein Wort“ (Psalm 119,67). Und dazu heißt es in der Bibel: „Trauern ist besser als Lachen; denn durch ein trauriges Angesicht wird das Herz gebessert“ (Prediger 7,3). Unsere freudigen, glücklichen Stunden sind schnell vergessen; die Schmerzen und Kümmernisse der Vergangenheit hingegen bleiben im Gedächtnis und hinterlassen konkrete Spuren. Freude kann nicht erziehen. Im Gegenteil: Schmerz und Kummer sind Erzieher – für den, der sie so annimmt.

Hiob, der schwere Schmerzen erlitt und dessen Leib zum Lager der Krankheit geworden war, betete so: „Den Weg, den ich gehe, kennt er; prüft er mich, werde ich hervorgehen wie Gold“ (Hiob 23,10). Wer sein Krankenlager zur Stufe der Erziehung macht, wer Gottes Stimme dort hört, sich seiner souveränen Macht und Vaterliebe birgt und Christi Gnade und Heilung sucht, ist in der Geborgenheit der Ewigkeiten. Wer zu dieser Erkenntnis gelangt, richtet sein Leben und seine Sicht der Ewigkeit gesund aus: „Denn die augenblickliche, leichte Bedrängnis verschafft uns eine über die Maßen gewichtige, ewige Fülle an Herrlichkeit“ (2. Korinther 4,17). Christus, der nach erlittenen Qualen starb, begraben wurde und wieder auferstand, ist in den Höhen. Wer mit seiner Genüge ausgerüstet ist, Mann oder Frau, steht in der Sicherheit ewiger Kraft. Dieser Mensch freut sich der Herrlichkeit und erwartet wissend die Ewigkeit: die Herrschaft ohne Krankheit, ohne Tränen, ohne Tod, ohne den Bösen … Christus wird unseren gefährdeten Leib der Niedrigkeit der Gestalt seines Auferstehungsleibes gleich machen. Sich im Glauben an einen so mächtigen Retter zu binden, heißt, Gottes gegenwärtige Hilfe zu empfangen.

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Munir Hanna ()